Schüsse in der Nacht

Am 28. Juni 1861 wird in Iggelheim in der Pfalz dem Pfarrer Wilhelm Chr. Theodor Federschmidt (1833-1901) zweimal ins Schlafzimmer geschossen. Seinen Presbytern (= Mitgliedern des Gemeindevorstands) wird dreist der Hanf abgemäht...

Zeitungsbericht 17. Juli 1861
Was war der Hintergrund?

Nach der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft war 1818 in der Pfalz eine neue evangelische Landeskirche gegründet worden. Ihre Verfassung war geprägt von modernen Gedanken der Aufklärung und des Rationalismus. Das zeigte sich auch im 1823 veröffentlichten Gesangbuch - mit manch kuriosen Auswüchsen. So wurde z.B. Paul Gerhardts berühmtes Abendlied Nun ruhen alle Wälder schlaumeierisch umgedichtet, weil „die Wälder“ ja gar nicht ruhen würden und auch nicht „die ganze Welt“, sondern nur „ein Teil“ davon...

Nach der gescheiterten Revolution 1848 gewinnen in Deutschland die restaurativen Kräfte wieder die Oberhand, auch in der Kirche. Der Versuch, ein neues (wieder traditionelleres) evangelisches Gesangbuch in der Pfalz verpflichtend einzuführen, wird in dieser Situation zum Politikum: Der Streit um das Gesangbuch polarisiert und zerreißt die Gemeinden derart, dass sogar der König interveniert. Im Februar 1861 wird durch eine Generalsynode den Gemeinden freigestellt, selbst ihr Gesangbuch zu wählen.
Der Vorfall von Iggelheim zeigt aber, dass die Ruhe damit noch lange nicht einkehrte. Denn vielfach waren die Gemeinden selbst in sich zerstritten. 1865 musste das Projekt „neues Gesangbuch“ schließlich ganz zurückgezogen werden, die bereits gedruckten Bücher wurden ins „deutsche Ausland“ verkauft.
Es sollte noch bis ins 20. Jh hinein dauern, bis das alte Gesangbuch von 1823 auch in der Pfalz durch ein neues Gesangbuch ersetzt werden konnte.

Eine kurze Info zur Geschichte der protestantischen Kirche der Pfalz findet sich hier (externer link);

Wie aber ein Neffe von Pfarrer Wilhelm Federschmidt sich auf andere Weise ums Singen verdient machte und damit mehr Erfolg hatte, das ist hier nachzulesen - viel Spaß!